Der roude (rote) Hund
Auch in Oberbayern ändert sich die Farbenlehre
Ich habe an anderer Stelle bereits dargelegt, dass sich diese Kolumne vornehmlich mit Angelegenheiten beschäftigt, die das bayerische Oberland betreffen. Dennoch möchte ich ein weiteres Mal auf das Werdenfelser Land zu sprechen kommen.
Dort haben die Bauern ihre Grundstücke trotz Einschüchterungsversuchen noch nicht abgegeben, und die Münchner Olympiabewerbung tritt auf der Stelle. Sie versucht deshalb, das Wohlwollen der Bauern mit Hilfe so genannter Sportbotschafter zurückzugewinnen. Die allerdings wissen selbst nicht so recht, wie sie ihren Auftrag – für die Olympischen Spiele 2018 zu werben – erfüllen sollen. Sie werfen der Stadt vor, sich nicht offen und fair mit den Olympia-Skeptikern auseinanderzusetzen. Weshalb Erhard Keller, einst Doppel-Olympiasieger im Eisschnelllauf, fordert, Kommunalpolitiker und Funktionäre müssten in Garmisch-Partenkirchen zu Kreuze kriechen.
Nichts wäre falscher als das. Denn einen Bauern, dem man einmal das Kraut ausgeschüttet, den man also einmal vor den Kopf gestoßen hat, kann man nicht besänftigen. Man hat ihn von oben herab behandelt. Das mag er nicht. Jetzt möchte man sich entschuldigen, weil man ja was will von ihm. Das mag er noch viel weniger.
Und weil die Bauern mit ihrem anarchistischen Widerstand viel Sympathie ernten, erwächst aus ihrem Grant (Unmut) eine schlagkräftige Koalition aus Grundbesitzern, wertkonservativen Grünen und schwarzen Lokalpolitikern, die der gebeutelten CSU stark zusetzt. Da hilft auch Seehofers Lächeln nichts mehr.
Eine solche Situation wäre 1978 nicht denkbar gewesen. Damals, 2018 wäre es 40 Jahre her, fand in Garmisch-Partenkirchen ja schon mal ein sportliches Großereignis statt: die Alpine Ski-WM. Interessanterweise wurde diese von der Bevölkerung wirklich gefeiert. Und zwar ohne Wenn und Aber, weshalb kritische Berichterstatter – anders als heute – am Fuß der Zugspitze höchst unwillkommen waren. So erzählt etwa der Fernsehjournalist Hermann Magerer in seinen „Erzählungen mit Hintergedanken“, dass man ihm nach einem Beitrag über die negativen Folgen der Ski-WM mitten in Garmisch nachgeschrieen habe: „Mid da Goaßl (Peitsche) hau ma di naus, du rouda (roter) Hund, du rouda!“
Früher war eben jeder, der in Bayern dagegen war, automatisch ein Roter. Heute wüsste man nicht, welcher Farbe man ihn zurechnen sollte. Nicht nur daran merkt man, dass sich auch unter einem weiß-blauen Himmel die Zeiten ändern.